Mittwoch, 10. August 2011

Rezension – Janne Teller: »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier«

Kennst du dieses Gefühl, wenn du beim Frühstück irgendeinen Nachrichtensender laufen hast, der neben schlechtem Small-Talk zwischen den Moderatoren und der Wetterfrau auch gekonnt ungeheuer viel Panik verbreitet? Die Unruhen, Proteste und Aufstände in Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien, Spanien, Griechenland und England. Das Erdbeben, der Tsunami, die Reaktorkatastrophe in Japan. Es sind alles Ereignisse, die einen anrühren, aufwühlen, nachdenklich stimmen – und durch die unmögliche Berichterstattung auch beunruhigen. Was wäre wenn? Das ist eine Frage, die ich mir schon oft gestellt habe, in letzter Zeit immer häufiger. Vielleicht ist Janne Tellers literarischer Essay »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier« eine Antwort auf das gegenwärtige Gefühl, das in mir nagt.

Gestaltung
Als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, musste ich es einfach anfassen, befühlen, drehen. Es liegt so klein, schmal und unscheinbar in den Händen und wirkt unheimlich vertraut. Vielleicht deshalb, weil das rote Kunstleder des Einbands, das Format und die goldene Schrift mit dem runden Hanser-Zeichen wie ein Reisepass wirken. Das Impressum greift dieses Thema typografisch auf.

Thema des Buches
Die dänische Autorin Janne Teller hat den Essay bereits 2004 geschrieben und ihn für die deutsche Ausgabe angepasst: Das Kriegsszenario betrifft nun nicht Skandinavien, sondern Deutschland. Stell dir vor, es wäre Krieg – und genau dieses Gedankenexperiment spielt Janne Teller mit dem Leser durch.
Ihre Sprache ist schnörkellos, direkt und klar, die Perspektive ist beklemmend, denn der Leser schlüpft mit Hilfe direkter Ansprachen augenblicklich in die Rolle eines Kriegsflüchtlings. Bitterböse dreht Janne Teller den Spieß um – und der Europäer, modern, offen, durch die Aufklärung, Demokratie und Gleichberechtigung geprägt, wird zum Gejagten und muss als Flüchtling und Ausländer im armen Nordafrika zurechtkommen.

Meinung
Das Buch hat nette Illustrationen von Helle Vibeke Jensen, die das Thema Krieg und das Leben in einer komplett fremden Kultur gekonnt skizzieren. Pop-Art ist die von ihr gewählte Technik. Janne Tellers fiktiver Essay hat einen 14-jährigen Jungen als Hauptperson und genau ab diesem Alter würde ich die Zielgruppe ansetzen. Besonders für Jugendliche dürfte dieses Experiment wichtig sein, wobei die Fragestellung auch bei mir den Nerv der Zeit getroffen hat.


Janne Teller
»Krieg. Stell dir vor, er wäre hier«
Carl Hanser Verlag, 64 Seiten, 6,90 Euro
ISBN: 978-3446236899
Erschienen am: 07. März 2011

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