Freitag, 14. Dezember 2012

Rezension – Benedict Wells: »Fast genial«

So ein junger Autor? Und so jung schon bei Diogenes? Nicht zuletzt auch in den Feuilletons? Selbst wenn ich seine ersten Werke verpasst haben, sorgte die Pressemaschinerie doch dafür, dass der Name Benedict Wells mir bekannt war. Und so schnappte ich mir »Fast genial« in der Bücherei, als sich mir die Gelegenheit bot.

Inhalt
Francis ist fast 18 Jahre alt und sein Leben ist an einem Wendepunkt angelangt: Er erlebte den sozialen Abstieg mit, als seine alleinerziehende Mutter ihren Job verlor und dadurch in einen heruntergekommenen Trailerpark in New Jersey umziehen mussten. Kurz darauf landete sie in der Psychiatrie. Nach einem Selbstmordversuch erfährt Francis, wie er entstanden ist und macht sich mit seinem besten Freund Grover und seiner Freundin Anne-May auf die Suche nach seinem Vater.

Meinung (Ohne Spoiler) Das Buch erzählt die abenteuerliche Reise von Francis und seinen Freunden, die mit dem Auto quer durch Amerika fahren. Die Idee hinter der Geschichte des Vaters entspringt einer wahren Begebenheit. Benedict Wells schafft es wunderbar, zwischen allen Unsicherheiten seiner Hauptfigur zu balancieren: Ist Francis ein Versager? Ein Genie? Wer ist sein Vater und wie wird er auf ihn reagieren? Löst seine Herkunft all seine Probleme? Und was ist mit seinem immer wiederkehrenden Traum über ein Roulette im Casino?
Dasselbe Schwanken entspinnt sich zwischen Francis, Grover und vor allem Anne-May. Bis zum Schluss bleibt unklar, wie sich das Dreiergespann entwickeln wird.
Der Stil ist leicht zu lesen, die Handlung baut ein gutes Tempo auf, gewürzt mit spannenden Entwicklungen der Charaktere. Allerdings bleibt alles in allem etwas zu oberflächlich, viele Worte und Möglichkeiten unangetastet, die Reise unscheinbar. Bei mir entstand dadurch der Eindruck, lediglich die Fassade eines heutigen Amerikas vor mir zu haben und gerade durch den Hintergrund des Autors stellte sich mir oft die Frage, wie real die Schilderungen aus dem Trailerpark nun wirklich sind (auch wenn Benedict Wells für den Roman eine Reise durch die USA gemacht hat).

Meinung (mit Spoiler)
Etwas ernüchtert war ich, als ich einen Artikel zur Samenbank der Genies fand, der fast genau die Handlung des Romans aufzeichnete. Die Parallelen waren unübersehbar.
Trotzdem hat mir die Ausarbeitung von Benedict Wells gefallen: Dieses verrückte Roadmovie, die verquere Beziehung zwischen Francis und Anne-May, sein ständiges Schwanken zwischen Verlierer und Gewinner. Nicht zuletzt das Ende war meiner Meinung nach perfekt: Alle Möglichkeiten, die sich für Francis boten, zeichnete Wells auf und ließ die Wahl für den Leser offen. Welches ich mir gewünscht hätte? Ich weiß es wirklich nicht, aber genau dieser Gedanke gefällt mir; dass die endgültige Lösung für Francis in all der Unsicherheit und dem Schwanken niemals festgelegt wird.

Fazit Eine leichte Lektüre mit spannenden Figuren: Überraschende Wendungen und interessante Ideen, die gut herausgearbeitet sind, machen den dritten Roman von Benedict Wells zu einem Roadmovie-Schmöker. Die leichte Oberflächlichkeit, die ich ihm unterstelle, habe ich ihm gerne verziehen.



Benedict Wells
»Fast genial«
Diogenes, 336 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3257067897
Erschienen am 23. August 2011

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